Donnerstag, 1. Juli 2010

Comics im Konzentrationslager - Ein Workshop in der Gedenkstätte KZ Sachsenhausen



Wie ist die Erinnerung an die Verbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus mit dem Zeichnen von Comics zu vereinbaren? Comics sind nicht nur lustige Bildergeschichten mit Knollennasen-Figuren und dusseligen Enten. Comics können ein künstlerisches Mittel sein, mit dem man Geschichten, Biografien und Zusammenhänge darstellen und Gefühle ausdrücken kann – auch zu einem Thema wie die nationalsozialistischen Verbrechen.
Ein fünftägiger Comic-Workshop für Jugendliche in der Gedenkstätte KZ Sachsenhausen bei Berlin konnte dieses künstlerische Mittel mit dem Lernen aus der Geschichte verknüpfen. So stand zu Beginn nicht die übliche Führung durch die Gedenkstätte. Die
Schüler sollten stattdessen unter Anleitung eines Künstlers selbst aktiv werden. Sie erarbeiteten sich den Erzählstoff für ihre eigene Comicgeschichte selbst vor Ort anhand des Ausstellungsmaterials, recherchierten
Fotos und Tondokumente.
Ein Historiker beantwortete Fragen und konnte Details erklären. In einem zweiten Schritt verdichtetendie Teilnehmer die Notizen, Skizzen und Fotos zu einer Geschichte und suchten nach grafischen Lösungen. In intensiver Zeichenarbeit zeichneten sie Charaktere und setzten sieins Bild, gestalteten Hintergründe nach Originalfotos, fanden Texte und zeichneten die Bildgeschichte letztendlich druckfertig. Dabei gestaltete jeder Schüler einen einseitigen schwarz-weißen Comic.Die Ergebnisse erzählen einerseits von Schicksalen in den Konzentrationslagern, zeigen vor allem aber
auch die intensive Auseinandersetzung der Schüler mit den Ereignissen.
Denn die Comics sind nicht nur reine Dokumentation. Jeder Schüler hat auch während der künstlerischen Arbeit einen großen Anteil eigener Gefühle und Überlegungen mit eingearbeitet. Geschichtliche Ereignisse, die bereits mehr als 60 Jahre zurück liegen, wurden so zu nachvollziehbaren greifbaren Schicksalen, die die Schüler aus ihrer Perspektive erzählen.
Einige der Schüler waren schon vorher einmal in der Gedenkstätte gewesen. In einem abschließenden Gespräch machten sie deutlich, dass sie sich bisher nicht annähernd so
intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hatten. Damit war für mich als Workshopleiter das Konzept aufgegangen. Einer der Schüler sagte am Schluss zu mir: „Ich habe jetzt erst begriffen, dass das damals wirklich passiert ist.“
Christian Badel

Berliner Zeichner und Benjamin-Illustrator
Der Comicworkshop war einer von insgesamt fünf künstlerischen Workshops im Rahmen des Modellprojekts„kunst – raum – erinnerung“ des Bildungsverbundes für die Internationale
Jugendbegegnungsstätte Sachsenhausen e. V.

Weitere Infos im Internet unter:
http://www.lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/4084